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hat leider einige charakteristische Stellen weggelassen, was auch in dem Falle, dass er für den vorliegenden Zweck den Ausdruck zugänglicher machen wollte, nicht nöthig war. Was nun die Lösung betrifft, die in metrischer Beziehung grösstentheils wirklich musterhaft ist, so finden wir in der Versbildung:

„Einer, der zur Handtrommel ein Lied“ etc.

nicht das Mindeste auffällig, und im Verse 17:

,,Mit Kopfschwenken und kühnen Geberden begleitend den Reihn

tanz"

scheint nicht sowohl die Häufung der Amphibrachen" als vielmehr das Fehlen der Caesur ein Fehler. Warum nicht:

„Mit Kopfschwenken und kühner Geberd' ausschmückend den

Reigen"?

Statt der Verse 20 und 21, in deren erstem die weibliche Caesur widrig ist:

„Donnernd stürzten von Gletschern, gelöst durch mildere Lüfte Riesige Massen herab, im Falle zu Staub sich zermalmend"

schlagen wir vor:

99

,,Donnernd' in Massen herab, durch mildere Lüfte gelockert, Stürzte das Gletschereis, sich zu Staub im Falle zermalmend" Bei dieser Gelegenheit können wir übrigens nicht umhin, aus Andersen's Bilderbuch ohne Bilder" auch die Stücke 2. 12. (das nach Pompeji führt --) 15. 18. (das von Venedig handelt --) 21. 24. (das Thorwaldsen feiert -) 25. (von der Mutter der Rothschild) 28. 29. 30. zum Gebrauche für metrische Uebungen in der Schule zu empfehlen; einige Bilder werden in Hexametern, andere z. B. in Terzinen oder etwa im Metrum des „Cid“ behandelt werden können.

Der Verfasser empfiehlt für die Uebung im elegischen Versmass, den Anfang mit einzelnen Distichen oder doch ganz kurzen Stücken, also etwa mit Gnomen und Epigrammen zu machen. Er führt „eine bunte Reihe von Sprüchen" vor, wie er sie in seiner Schulpraxis benutzt habe. Unter den 68 Sprüchen sind mehrere ganz vortrefflich. Besonders für Nro. 33, 49, 52, 54, 55, 58, 61, 62, 68 müssen wir dem Verfasser vom pädagogischen Gesichtspunkte dankbar sein. Nur gegen den von Julius Casar in Nro. 85 gebrauchten Ausdruck, er habe sich an Pompejus listig emporgeschwungen," müssen wir im Interesse der Geschichte protestiren; auch gegen den Inhalt von Nro. 45 (,,Glaube und Gegenglaube") liesse sich. streiten; und verfehlt scheint Nro. 42, in welchem die Vernunft in ihrem Verhalten zu den ruhenden oder tobenden Leidenschaften mit einem „Kläffer" verglichen wird, der „ruhig wandelnden Doggen mit Gebelfer folgt, doch stumm vor den ergrimmten entflieht." Einmal entflieht die Vernunft noch keinesweges, wenn sie auch verstummt; und ferner wird sich die Vernunft verbitten, zu den Leidenschaften in dem Verhältniss zu stehen, wie ein Kläffer zu „Doggen!" Diese der Jugend gegenüber monströse „Gnome" (?) hätte der Verfasser weglassen mögen. Auf die Lösungen S. 183 bis S. 191 müssen wir etwas näher eingehen. (S. oben).

Wie will der Verfasser in Nro. 19 den Hexameter scandiren :

-?

,,Also schläft ungeahnt ein Schatz der schönsten Gefühle" Entweder ist schläft unbetont (leicht) genommen, was doch kaum denkbar ist, oder ungeahnt ist als Anapäst gedacht, was wegen des natürlichen Tones auf der ersten Silbe unzulässig ist. Da der Amphimacer, welchen

der Verfasser sofort in Nro. 20 angewandt, so wenig aus dem Hexameter unserer die Silben wägenden Muttersprache ausgestossen werden kann, wie der Trochäus, so schlägt Referent die Frageform vor:

„Schlummert nicht ungeahnt" etc.

oder noch lieber den Ausruf:

„Schlummert doch ungeahnt“ etc.

Der Hexameter in Nro. 21:

„Armuth blicket dem Fleissigen wohl zuweilen in's Fenster“

entbehrt der Caesur; besser:

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Wohl in's Fenster hinein blickt Armuth fleissigen Leuten" Durch solche einfache Aenderung entledigen wir uns zugleich eines ungebetenen Gastes, der sich in metrischen Uebungen gern einnistet. Referent meint das e in der dritten Person Sing. Ind. Praes. Ist dieses e schon in der zweiten Person Plur. Ind. Praes. in den meisten Fällen überflüssig, so ist es in jenem ersteren Falle geradezu widerwärtig. Bekanntlich haben wir es hauptsächlich in unserer vielfach ausgezeichneten Luther'schen Bibelübersetzung vor uns und hat demnach die geistliche Rede bis auf den heutigen Tag eine Art von Liebhaberei dafür es zu erhalten. Ausserdem geht es durch unsere ganze klassische Literatur, wie wir wohl wissen, aus dem einfachen Grunde, weil es bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts gewiss auch in der gebildeten Verkehrssprache ganz eingebürgert war. Trotzdem können wir, um irgend ein Beispiel zu nehmen, in Schiller's „Pompeji und Herculanum" die Formen: bauet für baut, ziehet für zieht, fass et für fasst, ruhet für ruht, verwahret für verwahrt, u. a. nicht für schön halten, so wenig wie im Iambus des Drama's, sondern nur für ein Hinderniss der schönen Form. Wer aber einmal selbst metrische Uebungen gemacht oder mit Schülern dies ist hier die Hauptsache - versucht hat, dem ist es kein Geheimniss, dass der Schüler dieses unleidliche e oft und gern gebraucht, und zwar nicht sowohl weil auch Göthe, Schiller oder Herder es ihm vorführen, sondern weil es ihm oft so bequem ist, oft so hübsch in das Metrum passt, obwohl es doch gar nicht etwa z. B. durch ein d oder t des Stammes nothwendig wird. Ebenso braucht der Schüler gern und ohne Noth die feierliche Form der zweiten Person Plur. im Praes. oder Imperativ nicht der Feierlichkeit wegen. Sollen die metrischen Uebungen ein rechtes und volles Zuchtmittel für die Willensbildung werden, was sie in hohem Grade sein können, dann achte man derartige ,,Kleinigkeiten" nicht für zu gering. Das Gegenstück solcher unnöthigen und ungehörigen Verlängerung der Formen bildet die willkürliche Verkürzung. Referent würde z. B. dem Schüler gegenüber weder in Prosa noch im Verse schreiben: „dem ärmern Mann," eher noch dem ärmren. Der Schüler versteht sich nicht sonderlich auf die historische Sprachforschung" aber es fallt ihm auf, dass man in der Declination des Paradigma: „der ärmere Mann" bald das eine, bald das andere e auswirft, und er liebt, wie immer, auch bier, dass man ihm gegenüber consequent sei. In dem Verse in Nro. 24:

„Mässige Freuden erquicken dich Tag auf Tage, wie Hausbrot“ fehlt offenbar die Caesur; warum nicht so:

„Mässige Freuden erquicken dich

recht, wie tägliches Hausbrot" -?

Der Vers in Nro. 25:

„Kaufe das, was du nicht brauchst, so verkaufst du bald, was du brauchest"

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leidet einmal an dem oben gerügten e, zumal da dem „brauchest" das einzig richtige brauchst" kurz vorangeht, und sodann an dem dreimaligen „du, das dadurch noch unangenehmer wird, dass es zuerst unbetont, dann scheinbar betont (obwohl in der Thesis), d. h. als zweite Silbe eines Trochäus (oder Spondeus?), und endlich wieder unbetont erscheint. Einfacher so: bald wird's an dem nöthigen fehlen“

„Kauf' unnöthiges Gut,

Das Distichon Nro. 26 lautet:

"

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Wirf nicht in's Ungewisse des Wortes Geschoss von der Zunge,
Weit ist sein Flug, es durchbohrt theuere Herzen vielleicht."

Das „nicht ist hier doch kaum in der Thesis zu dulden, aber gewiss nicht in der des Daktylus, wo es ganz verschwinden würde; auf dem Worte muss doch ein Nachdruck liegen. Ferner fehlt die Caesur im Hexameter. Sodann ist die Tonlosigkeit des durch in durchbohrt" eben so unleidlich wie der Flickvocal e in theuere." Endlich ist das „vielleicht" am Schlusse des Pentameters auffallend matt. Referent erlaubt sich den Vorschlag:

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Nicht in's Blaue hinein entfliege der Worte Geschoss dir! Weit ist sein Flug; es verletzt, eh' du es merktest, ein Herz.“ Dabei liesse sich immer noch das unbetonte „sein“ in der Thesis des Daktylus anfechten; der Verfasser selbst findet es im vorliegenden Buche S. 8 zur Thesislänge mehr geeignet.

In Nro. 27 wird an dem Hexameter:

„Liebst du das Leben, so lass nicht die Zeit ungenutzt dir ent

schwinden"

zu tadeln sein, dass er die Silben un und „nicht" beide als leichte behandelt, auf denen doch der Nachdruck liegt. Diese Klippe ist leicht zu umgehen, indem man den Gedanken so ausdrückt:

„Nicht umsonst, wenn das Leben du liebst, entschwinde die Zeit

dir"

39

Auch in Nro. 29 können wir den Hexameter nicht zulassen, da wieder die Caesur fehlt, wenigstens nicht ausreicht. Die Ueberschrift Fesseln des Mars" legt nahe, durch eine kleine Aenderung zu helfen. Wir setzen einfach anstatt:

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Recht so, ihr Männer des Handels, der Industrie und der Bil-
dung,
Bindet den schlummernden Mars stärker und stärker uns an!"

folgenden Ausdruck:

"Ihr vom Geschlecht Mercur's, ihr Pfleger des stillen Gewerbes,
Bindet etc. etc."

Wenn es in Nro. 30 unter der Ueberschrift
""Duldung der andern Gemeinden““

Toleranz" heisst:

hinweg mit dem kränkenden Worte!

Christen zu Christen geziemt, denk' ich, ein Besseres noch"

-ད

so kann Referent, abgesehen davon, dass er (was er Keinem aufdrängen will) die Abkürzung in andern" für eben so inconsequent halten muss wie (s. oben) die in ,,ärmern." dagegen nur ,,andren" neben der vollen Form „anderen“ für richtig hält, in dem Hexameter wieder keine genügende Caesur erkennen; Referent schlägt deshalb vor:

,,Weg mit dem Wort „,,Toleranz««! Mich kränkt die herbe Benennung.

Christen und Christen geziemt, denk' ich, ein Besseres doch!

Unbegreiflich ist es, warum nicht in Nro. 31 im ersten Hexameter die kräftigere Caesur den Vorzug bekam. Wie nahe lag es, statt:

zu sagen:

„Lausche nur still und gesammelt den eigensten etc.

„Lausche gesammelt und still den eigensten etc.

1

Trägt denn in diesem Falle eine weibliche Caesur zur vollendeten Schönheit des Verses bei? (S. 116 d. Verf.) Ist dies nicht der Fall, dann muss sie so lange als Mangel gelten als sie nicht ganz unvermeidlich ist.

Nro. 33 ist mit drei Distichen gegen die Zerstreuung gerichtet, unter der Ueberschrift: Zerstreuungsblätter" dem Inhalte nach von allen 68 Stücken das pädagogisch werthvollste. Was nun die metrische Ausführung des treffenden Gedankens anlangt, so ist gegen das erste Distichon nichts zu erinnern. Dagegen fehlt dem zweiten Hexameter die Caesur, der dritte hat eine matte weibliche, die zu dem spitzigen Epigramm nicht passen will. Dann ist das Wort „mehr," obwohl dreimal in ganz gleicher Weise gebraucht, zuerst im Hexameter in die Thesis des letzten Daktylus, also ganz tonlos, gestellt, und sodann zweimal als Schlussarsis im Pentameter angebracht. Die nach des Referenten Ansicht willkürliche Abkürzung „ernsterm" statt ernstrem" muss ertragen werden. Beim Verfasser lauten das zweite und dritte Distichon so:

"

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99

Wollt ihr dem Leben, den Freunden nicht eine Minute
mehr gönnen?

Ernster Lecture nicht mehr? ernsterm Berufe nicht mehr?
Wisst, ihr Zerstreuungsblätter, das Leben zerstreut und zer-
splittert

Uns schon übergenug; Sammlung nur ist's, was gebricht."

Referent möchte vorschlagen:

,,Soll dem Genossenverkehr nicht eine Minute verbleiben?
Keine dem emsigen Fleiss? keine dem ernsten Beruf?
Weg mit der leidigen Sucht! Das Leben etc. etc.“

In dem Doppeldistichon Nro. 35 steht dreimal, in „thürmet,“ „hebet“ und „dämpfet,“ ein Ballast- oder Schmarotzer-e; und in beiden Hexametern steht zum Nachtheil der Congruenz zwischen Inhalt und Form eine lose weibliche Caesur:

,,Thürmet des Unglücks Wolke sich dunkel und dunkler um's

Haupt dir,

Hebet sich grimm'ger der Sturm,
Wirbelt doch vor dem Gewitter

hoffend erhebe den Blick! zum letzten Male der Staub

auch

Stärker empor, den bald dämpfet die segnende Fluth.“

Wir erlauben uns diesen Vorschlag:

Thürmt auch Wettergewölk sich dunkel und dunkler um's Haupt

dir,

Dräut auch wilder der Sturm, hoffend erhebe den Blick!
So auch wirbelt der Staub bei nahem Gewitter zuletzt noch
Stärker empor, den bald lindert die segnende Fluth."

Unter Nro. 38 heisst es beim Verfasser:

,,Glänzende Städte, wie kehrt ihr die Zeit um! Winter ist schöner

Euch denn Sommer und Lenz, Nacht ist lebend'ger als Tag." Schon aus dem mehrfach besprochenen Grunde müssen wir schreiben: „Glänzende Stadt, wie verkehrst du die Zeit! Dein Winter ist schöner

Dir denn Sommer und Lenz, Nacht ist belebter als Tag."

Für die Worte „Reich et zum Imbiss wohl etc. in Nro. 36 setzen wir: „Reicht zu dem Imbiss wohl“ etc. ein Fall, in welchem auch nicht die mindeste Veranlassung zu der feierlichen alterthümlichen Form der dritten Person vorlag. Ebenso verhält sich's mit dem Pentameter in Nro. 50, der so lautet:

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War nur das Urtheil treu, seltener irrte der Sinn."

In Nro. 53 entledigt man sich leicht des lästigen „dünket," wenn man das hier sehr gut passende Imperf. „dünkte" setzt. Auch glauben wir, dass ein aufmerksamer Schüler der Oberklasse (für Secunda und Prima können metrische Uebungen allein gelten -) in dem Distichon:

,,Oft, was in düstrem Gewölk dem beschränkten Blicke sich darstellt,

Zeigt sich dem freiern Aug' lächelnd in rosigem Duft"

sehr leicht auf eine Vertauschung zu leiten wäre, die zugleich Verbesserung ist:

„Oft, was in düstrem Gewölk dem beschränkteren Auge sich darstellt,

Zeigt sich dem freieren Blick lächelnd in rosigem Duft.“

Denn die Elision in „Aug'" ist vor dem Consonanten hier nicht begründet. Die Form freiern ist hier wohl nur ein Druckfehler, da zu der Auswerfung des e nicht der mindeste Grund ist.

"9

Nro. 56 lautet unter der Ueberschrift: „Lehrern und Fürsten":

,,Vorsicht mabnet, in ruhiger Zeit die Dämme zu stärken,

Die auf der Segensbahn halten den brausenden Strom.

Stürmt und strömet es erst in den Tagen des nahenden Früh

lings,

Fürsten und Lehrer, dann kommt Euere Sorge zu spät.“

Wo kommt denn sonst die Form euere" vor? - Wollen wir uns dieser wie der beiden vorangehenden Schmarotzer-e entledigen, dann brauchen wir kaum etwas zu ändern. Wir sagen:

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Andrerseits kann Referent das Abwerfen des e vom Imperativ „halte".vor einem Consonanten nicht für correct halten, und würde den Pentameter in Nro. 57 nicht schliessen: halt die Minute zu Rath

- nimm die Minuten in Acht!"

" sondern etwa:

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